SKIMO Racing

Skitouren boomen! Immer mehr Freunde des Ausdauer- und Wintersports verschenken ihr Herz an die Berge, den unberührten Schnee, die Ruhe der Natur abseits von Aprés Ski und Massentourismus. Was im Sommer das Wandern ist, übernimmt im Winter das Skitouren Gehen. Die Kombination aus fordernden Anstiegen zum Gipfelerlebnis und der darauf folgenden lässigen Abfahrt durch unverspurten Pulverschnee gehört heute zweifelsohne zu den beliebtesten „Must do`s“ in der verschneiten Winterwelt.

18 février 2022
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WELTCUP SKIMO ATHLETIN SOPHIA WESSLING IM INTERVIEW

Neben diesem Freizeitboom kämpft ebenso eine kleine feine Abteilung von ambitionierten Skibergsteigern im Ski- oder Alpenverband um Anerkennung ihrer Leistungssparte und die Aufnahme ins olympische Programm  – die Rede ist vom Skimountaineering (SKIMO) oder zu deutsch Skibergsteigen.

Sophia Weißling in der Bernina Jacke

Wir haben die Skinfit Athletin und Weltcup-SKIMO Starterin Sophia Weßling aus Deutschland getroffen und gehen mit ihr auf Tuchfühlung!

Sophia, du bist gerade erst erfolgreich von deinen Weltcup Einsätzen in der Schweiz und Italien zurück gekehrt. Was genau steckt hinter dem Wettkampfsport Skimountaineering? Und wo ist der große Unterschied zum derzeitigen Skitourenboom in der Touristikbranche?
Wie du schon sagst, das Skibergsteigen ist ein Wettkampfsport und meine Motivation, bei einem Skimo Rennen dabei zu sein, ist natürlich eine ganz andere als die, die meine Freunde und Bekannten bei ihren Skitouren am Wochenende antreibt. Ziel ist es nicht, einen bestimmten Gipfel mit schöner Aussicht zu besteigen, sondern einen mit kleinen Fähnchen abgesteckten Kurs möglichst schnell zu durchlaufen und dabei sein Bestes im unmittelbaren Konkurrenzkampf zu geben. Gerade im Aufstieg zählt somit nicht nur die absolute Fitness sondern auch jedes Gramm. So unterscheidet sich unser Material enorm von dem eines Tourengehers. Mein Paar Skitourenski bringt gerade mal 1.430g auf die Waage, ein einzelner Carbon Schuh nur etwa 600g. Auch alle weiteren Ausrüstungsgegenstände, wie Bindung, Helm und Stöcke wiegen nur einen Bruchteil der „normalen“ Skitourenausrüstung. Mit dieser leichten „Race“-Ausstattung ist es auch kein richtiges "Abfahrtsvergnügen" im Pulverschnee sondern gleicht eher Skiartistik auf eisiger Buckelpiste. Gleich bleibt allerdings unsere Sicherheitsausrüstung. Diese benötigen wir zumindest bei der Teilnahme an einem Individual – eine von vier Disziplinen im Skibergsteigen. Dazu gehört Rettungsdecke, Pfeife, Schaufel, Sonde und Pieps.

Gleicht ein SKIMO Wettkampf also einer schnellen Skitour oder gibt es verschiedene Rennformate?
Die Wettkämpfe finden in vier verschiedenen Disziplinen statt und jeder Athlet hat seine eigenen Stärken und Schwächen und somit Vorlieben, welche Rennformate ihm am Besten liegen. Ein Individual Race findet gewöhnlich im freien Gelände abseits der Piste statt (daher hier auch die Lawinen-Sicherheits-Ausrüstung). Ich starte 2022 in der U20 Altersklasse. Da habe ich ca. 950 Höhenmeter Aufstieg (mit Tragepassagen - d.h. die Ski werden am Rucksack befestigt) als auch Abfahrten zu überwinden. Die 950 Höhenmeter werden meistens in drei bis vier einzelne Aufstiege unterteilt. Eine zweite Disziplin im Skibergsteigen ist der Sprint. In meiner Altersklasse sind hier nur etwa 65 Höhenmeter in einem abgesteckten Lauf mit genau einer Tragepassage und Abfahrt zu überwinden. Der erste Durchgang ist die Qualifikation. Anschließend gelangen die 24 besten Läuferinnen weiter in das Viertelfinale. In den vier Startblöcken laufen dann immer sechs Athletinnen gegeneinander, von denen anschließend jeweils die ersten drei weiter ins Halbfinale mit 2 Startblöcken kommen. Die jeweils besten drei aus den zwei Halbfinals erreichen das Finale. Hier werden dann die Top 6 ausgelaufen. Die wohl simpelste Disziplin ist das Vertical. Wie der Name schon sagt, geht es hier nur hinauf, ohne Abfahrt. In meiner Altersklasse habe ich ca. 400 bis 500 Höhenmeter am Stück ohne Tragepassage zu bewältigen. Das Vertical findest meist auf der Piste statt. Zudem gibt es noch die Staffel als vierte Disziplin. Hier absolviert jeder Läufer eine sehr verkürzte Individualstrecke und übergibt dann an den nächsten Starter. Eine Staffel kann aus zwei bis vier TeilnehmerInnen bestehen. Neben diesen verschiedenen Rennformaten gehören auch Einzelelemente wie schnelles Auf- und Abfellen und das Steigen ohne Ski zum Wettkampf. Im letzten Jahr wurde bekannt gegeben, dass Skibergsteigen zum ersten Mal seit langem wieder Teil der olympischen Winterspiele sein wird: 2026 in Mailand. Das Vertical hat es wie schon bei den Jugendolympischen Spielen 2020 in Lausanne nicht ins Programm geschafft. Das ist natürlich ein Meilenstein und eine tolle Entwicklung meiner Sportart.

INDIVIDUAL RACE

Mehrere Aufstiege, Tragepassagen
& Abfahrten im freien Gelände.

SPRINT RACE

Abgesteckter Lauf, der im KO-System
mit jeweils 6 Athleten bis zum Finale führt.

VERTICAL RACE

Durchgehender Aufstieg ohne
Tragepassagen oder Abfahrt.

STAFFEL

2 bis 4 Teilnehmer bewältigen jeweils
eine verkürzte Individual Strecke.

Du bist bereits mit deinen 19 Jahren international sehr erfolgreich. Was sind für dich die besonderen Herausforderungen dieser Weltcuprennen?
Zum Glück bin ich Teil der deutschen Nationalmannschaft und fahre zu den meisten großen Rennen mit meinem Team und unseren Betreuern. Die Vorbereitungen für die Rennen muss ich zwar größtenteils selbst treffen aber ich habe immer gute Beratung dabei. Einen Tag vor dem eigentlichen Rennen wird bereits das richtige Fell als auch das richtige Wachs für den Ski ausgesucht und aufgetragen. Diese Entscheidungen werden je nach Steigung der Rennstrecke, Schneezusammensetzung, Wetter, Uhrzeit bzw. die damit zusammenhängende Temperatur getroffen und können für den nächsten Tag rennentscheidend sein. Ein stetig rutschendes Fell oder ein nicht gut gewachster Ski, kostet Energie und Geschwindigkeit, sodass am Ende die entscheidenden Sekunden fehlen können. Gerade bei einem Individual, welches sich über einen großen Bereich im Gelände erstreckt, kann eine Streckenbesichtigung insbesondere in den Abfahrten große Vorteile erbringen und senkt zudem die Sturzgefahr, da ich bereits am Vortag Gefahrenstellen erkennen und begutachten kann. Heute haben allerdings die meisten Veranstalter immer häufiger mit Schneemangel zu kämpfen und dadurch müssen die anfangs geplanten Strecken abgeändert oder sogar komplett verlegt werden. Manchmal ist am Vortrag noch keine Strecke abgesteckt und bekannt, sodass ich mir am Vorabend einen ungefähren Streckenverlauf nach Karte zusammenreimen und einprägen muss. Um einen schweren Sturz im Rennen zu vermeiden oder von der Route abzukommen, muss ich teilweise im Rennen in der Abfahrt etwas an Geschwindigkeit rausnehmen. Manchmal bleibt mir und auch anderen Athletinnen ein vereinzeltes stehenbleiben, um wieder die richtige Orientierung zu haben, nicht erspart. Diese „Sprünge ins kalte Wasser“ sind bei jedem Weltcup eine neue Herausforderung. Ebenso sind Stürze bei SKIMO Rennen kein Einzelfall. Dank des leichten Materials und manchmal auch etwas weicherem Schnee im Gelände, werden zwar schwere Verletzungen so gut wie immer vermieden. Allerdings leidet das äußerst leichte Material bereits bei kleineren Stürzen. Daher sind Stockbrüche oder ein gebrochener Ski auch oft entscheidend für Sieg oder Niederlage. Zum Glück gibt es einen Checkpoint im Rennen, an dem von unseren Trainern Ersatzmaterial gereicht wird. Kostbare Zeit geht aber dennoch durch Materialschäden verloren und ist schwer wieder raus zu laufen. Im Ziel angekommen ist dann der erlaufene Rang noch nicht gesichert. Ab und zu gibt es auch noch Zeitstrafen für nicht Beachtung des Reglements, wie zum Beispiel das ein Fellteil noch außerhalb des Rennanzuges zu sehen ist und somit nicht vollständig verstaut wurde oder das die markierten Wechselzonen beim An- oder Abfellen überschritten wurden usw.

Und was macht für dich dann den Reiz am Weltcup bzw. Skibergsteigen als Wettkampfsport aus?
Was der Reiz am Skitouren gehen ist, ist für wohl jeden sehr offensichtlich: unberührte Natur, ein herrliches Bergpanorama und traumhafte Tiefschneeabfahrten. Dies alles jedoch als Wettkampfsport zu erleben und dabei seine eigenen Grenzen zu erreichen und zu überwinden hat nochmal einen ganz andere Motivation für mich. Einen technischen Kurs zu durchlaufen mit steilen und anspruchsvollen Abfahrten und Tragepassagen und dabei noch seine maximalen Leistungen zu bringen, erfordert mehr als reine Ausdauer und lässt ein Rennen bis zum Schluss offen. Ich liebe den Konkurrenzkampf und die körperliche Herausforderung inmitten meinem Lieblingselement - dem Schnee.

Du bist als Leistungssportlerin fast täglich im Training auf Ski unterwegs. Machst du auch noch  Skitouren in deiner Freizeit?
Abgesehen davon, dass es natürlich nichts Schöneres gibt, als als Erste in einen noch unberührten Hang zu powdern, sind für uns Skibergsteiger die „normalen“ Skitouren sogar von sehr großer Bedeutung. Auf der Piste kann man zwar perfekt Ausdauer trainieren, einen anspruchsvollen Hang maximal schnell herunterzufahren oder fordernde Tragepassagen zu bewältigen, lernt man dabei jedoch nicht. Diese Elemente des Skibergsteigens kann man nur durchs tatsächliche Ausführen trainieren. Auch ist es nicht zu unterschätzen, dass vermeintlich einfach begehbare Berge aus dem täglichen Triningsprogramm allein durch die Schneeverhältnisse an anderen Tagen zur Halb- bis ganz Tagestour ausarten können. Auch im Rennen muss man mit solchen schwierigen Bedingungen wie schlechtem Wetter und wenig Sicht zurechtkommen. Nach der Saison stehen bei mir dann meistens die Frühjahresskitouren an: lange, ausgedehnte und gemütliche Touren bei denen das Hauptziel dann auch mal das reine Genießen sein darf.

Du hast vorhin deine Schutzausrüstung erwähnt. Wie ist es um deine Lawinenkenntnissen bestellt? Gehören Theorie und Praxis rund um die Sicherheit auch zum Training?
Insbesondere in der Disziplin Individual ist es Pflicht, die Lawinen-Verschütteten-Ausrüstung nicht nur bei sich zu tragen sondern auch einsetzen zu können. In der deutschen Nationalmannschaft gibt es zu Saisonbeginn für alle einen Kurs. Dieser wird jedoch selten wiederholt durchgeführt. Bestandteil des Trainings ist er also nicht. Die meiste Zeit trainieren Weltcup-Athleten aus der Nationalmannschaft alleine, daher ist die Sicherheit ein enorm wichtiges Thema. Ich persönlich habe am meisten über Lawinenkunde durch meinen Papa und Bruder während den gemeinsamen Touren gelernt, wodurch ich mir bereits mit 17 Jahren meine erste Skitour allein im Gelände zutraute. Es ist mir auch heute noch wichtig, so sicher wie möglich unterwegs zu sein. Leider bringt der anhaltende Skitourenboom auch immer mehr ungebübte Leute ins Gelände. Hier möchte ich als Leistungssportlerin natürlich auch meiner Vorbildrolle gerecht werden und nehme die Verantwortung sehr ernst.

Neben dem Weltcup, der vom internationalen SKIMO Verband organisiert ist, gibt es ja auch zahlreiche Traditionsrennen, die neben vielen Breitensportlern auch den Profis eine Bühne bieten. Hast du auch Pläne außerhalb der Nationalmannschaft?
Ja definitiv! Vor allem die PDG (Patrouille des Glaciers), Sellaronda, Tropheo Mezzalama und Pierramenta haben es mir angetan und gehören zum „Pflichtprogramm“ für ambitionierte Skibergsteiger. Bis auf die Sellaronda, bei der ich bereits dieses Jahr mit meiner Freundin Maria Hüber am Start sein werde, sind alle drei Rennen über 3000 Höhenmeter lang und werden zusammen mit einem Partner bewältigt. Sie gehören somit zu den long distance Rennen. Die Pierramenta ist sogar ein Mehrtagesrennen. Ich denke, jeder Skimo Athlet träumt einmal davon, bei diesen historischen Rennen vorne mit dabei zu sein und noch habe ich ja ein paar Jahre vor mir.

Derzeit startest du in der U20-Klasse. Der nächste Schritt ist dann die Frauen Elite. Ist Profisein dein Ziel? Kann man heutzutage vom Sport Skimountaineering leben?
Nein vom Sport kann ich leider nicht leben. Allein das Preisgeld beim Erreichen eines Top 5 Platzes im Weltcup reicht dafür nicht aus. Wie die meisten anderen Skibergsteiger aus meinem direkten Umfeld möchte auch ich nach dem Abitur mit dem Studium beginnen und parallel weiterhin den Leistungssport betreiben. Mich ganz auf den Sport zu konzentrieren wie zum Beispiel durch Spitzensportförderung in der Polizei oder Bundeswehr kommt für mich nicht in Frage. Dafür ist Skibergsteigen (derzeit) einfach zu klein und bekommt kaum mediales Interesse.

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